Das Weltgeschehen 2022 macht erst mal sprachlos. Aber was hätte zum Beispiel Olaf Scholz auf Mahmud Abbas und dessen Holocaust-Vergleich eigentlich antworten können?
Vertrauensbildende Maßnahmen (VBM) sind das aktuelle Werkzeug für Vermeidung von Kriegen, Klimakrisen und generell von menschlichem Elend. In der Diplomatie erfordern VBM eine Orientierung am jeweiligen Kontext. Anlass sind in der Regel politisch verfahrene Situationen, deren Überwindung eine Herausforderung ist. Ein Beispiel einer Begegnung1, welche Optionen für Gaza hätte eröffnen können:
‛Äußerung im Bundeskanzleramt
In einer Pressekonferenz am 16. August 2022 mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wurde Präsident Mahmud Abbas gefragt, ob er sich für das Attentat auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele 1972 in München entschuldige. Abbas ließ diese Frage unbeantwortet und beschuldigte stattdessen Israel des Holocausts an den Palästinensern. Israel habe, so Abbas, seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen, das seien ‚50 Massaker, 50 Holocausts‘.“
Danach folgten in der Darstellung von Wikipedia die üblichen, einseitigen Verlautbarungen beider Seiten und schließlich das Gegenteil jeglicher VBM:
‛Die Polizei Berlin ermittelt wegen der Äußerung gegen Abbas wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung. Nach Angaben des Rechtswissenschaftlers Michael Kubiciel habe für die Ermittlung, ‛ob Palästina ein Staat ist oder nicht, ausschlaggebende Bedeutung“. Als Repräsentant eines anderen Staates würde Abbas Immunität vor Strafverfolgung genießen. Deutschland hat Palästina nicht als Staat anerkannt.“
Hätte ich im Bundeskanzleramt bei der gemeinsamen Pressekonferenz am 16. August 2022 die Worte von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gehört, so wäre auch ich – wie unser Bundeskanzler Olaf Scholz – vorsichtig, womöglich erstmal sprachlos gewesen. Nicht nur, weil ich als Child Survivor (Überlebender des Holocaust) darauf bestehe: der Holocaust war einmalig. Aber wie könnte jenes Vertrauen wenigstens vorbereitet werden, welches für weiteres Überleben grundlegend ist?
Als ein Beispiel zur Veranschaulichung hier eine Empfehlung:
Wie hätte unser Bundeskanzler zukunftsweisend reagieren können?
‛Herr Präsident Abbas, mit dem Wort Holocaust gehen wir hier besonders vorsichtig um, es war für uns ein einmaliges Geschehen. Jedem deutschen Bürger, der dieses Wort unangemessen verwendet, droht eine Anklage wegen Volksverhetzung.
Selbstverständlich erwarte ich von Ihnen ein diplomatisches Verhalten. Denn Sie und ich, wir wissen beide, wie schmerzlich, wie unerträglich für jede Mutter, für jeden Vater der Verlust eines Kindes ist – unabhängig von Anlass und Ursache. Wir kennen die global schrecklichen Bedingungen von Gewalt und Krisen.
Wir wissen, was in Gaza durch israelische Streitkräfte – und bittere Lebensumstände – an Zerstörung und Leid geschah, ist äußerst tragisch und muss unbedingt durch einen Frieden vermieden werden. Aber wieso bezeichnen wir in Deutschland den Holocaust als einmalig? Die beim Holocaust gezielt teuflisch vernichtenden Aktionen waren in ihrer Art weit, sehr weit entfernt von den bitteren Erfahrungen in Gaza. Denn beim Holocaust wurden vier von fünf jüdischen Kindern ermordet, insgesamt anderthalb Millionen. Sie wurden in Güterwagen zu tausenden eingepfercht und zu Todeslagern mit industriell perfektionierter Vernichtung gebracht.
Sollte den Menschen in Gaza etwas Derartiges widerfahren, wie den Juden im Holocaust durch die Nazis, so wäre uns das in Berlin mit Gewissheit bis in Details bekannt und wir würden sofort gegen jegliche derartige Gewalt eingreifen!
Indem der Schutz Israels deutsche Staatsräson ist, gilt das eben unweigerlich mit für Gaza. Allerdings die Grundlage jeglichen Gelingens sind dabei in Nahost, ebenso wie ansonsten global, ernsthafte vertrauensbildende Maßnahmen (VBM).
Nicht bei Aufrüstung, nicht durch Wettrüsten, nicht bei einseitigen Statements kann es Fortschritte geben, sondern nur durch gemeinsame VBM.
Einen Schritt in diese Richtung ermöglichen die präzise selektiven Angriffe des Israelischen Militärs gegen den mit Iran verbundenen Palästinensischen Islamischen Dschihad. Dabei blieben Angriffe gegen die Hamas ebenso aus, wie Angriffe der Hamas gegen Israel. Ein zielführender Fortschritt!
Derzeit kümmere ich mich verstärkt um die Bewohnbarkeit unseres Planeten. Diese ist für alle Palästinenser, Juden, Europäer, Iraner usw. gleichermaßen unverzichtbar. Klimakrisen müssen rasch verringert werden, auch weil sie zu Vernichtungskriegen führen können, die alles bisher Überlebte krass überschreiten. Mit dazu gehört die Vermeidung jeglicher Atomkriege – denn einzig ein ‚nuklearer Holocaust‘ könnte auch mit dem Begriff Holocaust bezeichnet werden. Deshalb, was auch immer Ihnen, Herr Präsident Abbas, an VBM versucht wird, es wird von der deutschen Politik als höchst wertvoll für gemeinsame Aktionen aufgegriffen werden.“
In einem solchen Kontext könnte ein abschließender Händedruck zweifelsfrei zukunftsweisend gelingen.
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Mahmud_Abbas#%C3%84u%C3%9Ferung_im_Bundeskanzleramt – und siehe den Artikel: Schwierige Dreiecksbeziehung; Artikel von Shimon Stein und Moshe Zimmermann, Montag, 22.08.2022, im Tagesspiegel / Seite 6